Intersektionalität

Diversity und Mehrfachzugehörigkeit

Der Diversity-Ansatz geht von einer mehrdimensionalen Perspektive aus: Individuen sind durch zahlreiche Unterschiede und die Zugehörigkeit zu einer größeren Anzahl unterschiedlicher Gruppen geprägt. Das heißt, sie sind charakterisiert durch die Kombination von vielschichtigen Merkmalen, die zu verschiedenen Diversity-Dimensionen verdichtet werden können. Aufgrund der Mehrfachzugehörigkeit zu verschiedenen Dimensionen wie Geschlechtsidentität, ethnische und kulturelle Herkunft, Hautfarbe, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Behinderung, Lebensalter, sozialer Status, Beruf etc. bestehen zwischen Individuen je nach Kontext neben Unterschieden zugleich Gemeinsamkeiten.

Diversity-Dimensionen stehen in hierarchischen Beziehungen

Da Diversity-Dimensionen unterschiedlich bewertet sind (Männer und Frauen, Menschen ohne Behinderung und Menschen mit Behinderung, jung und alt, Heteronormativität), bestehen zwischen den einzelnen Dimensionen ungleiche, hierarchische Beziehungen. Das heißt Identitäten bzw. Zugehörigkeiten sind in gesellschaftlichen Machtverhältnissen verortet. Die Zugehörigkeit zu Diversity-Dimensionen hat Auswirkungen darauf, welchen gesellschaftlichen Einfluss und welchen Zugang zu Ressourcen eine Person hat. Für manche Individuen kann Mehrfachzugehörigkeit je nach gesellschaftlichem Kontext Vorteile haben. Für andere bedeutet Mehrfachzugehörigkeit zusätzliche Diskriminierung.

Was ist Mehrfachdiskriminierung?

Häufig werden Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen nicht nur aufgrund eines einzigen Merkmals diskriminiert, sondern sehen sich verschiedenen Formen von Diskriminierung, wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Ableismus, Klassismus, Trans*Diskriminierung etc. ausgesetzt. Diese spezifische Form der Diskriminierung aufgrund einer Kombination von Gründen wird Mehrfachdiskriminierung genannt.

 

 

Audre Lorde 1999, “There is no hierarchy of oppression”. In: Eric Brandt, Dangerous Liasons: Blacks, Gays and the struggle for Equalitz, New York, New York Press, S. 306.

Intersektionalität ist mehr als die Überlagerung von verschiedenen Diskriminierungsformen

Häufig wird Mehrfachdiskriminierung als Intersektionalität definiert. In diesem Sinne argumentierte Audre Lorde verschiedene Unterdrückungsformen nicht gegeneinander aufzuwiegen, sondern miteinander in Bezug zu setzten.

Dieses Argument ist auch für unseren Diversity-Ansatz eine wichtige Grundlage des pädagogischen und solidarischen Handelns, um Diversity in der Gesellschaft zu gestalten.

Rassismus gegen Schwarze Menschen und andere ethnisierte Minderheiten (People of Color, kurz POC) wirkt sich je nach dessen individueller Verortung in einer Matrix existierender Dominanzverhältnisse unterschiedlich aus. Hier besteht eine wesentliche Beziehung zwischen rassistischer und ethnisierter Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund weiterer Zugehörigkeiten. Die Unterdrückung kann z. B. durch ethnisierte Geschlechterzuschreibungen, Lebensalter und die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht oder Klasse verstärkt werden.

Intersektionelle Diskriminierung ist nicht rechtlich geschützt

Intersektionalität ist eine besondere Form von Mehrfachdiskriminierung. Dieser Begriff bedeutet mehr als nur die Überlagerung von verschiedenen Diskriminierungsformen. Intersektionalität ist relevant, obwohl intersektionelle Diskriminierung nicht rechtlich geschützt ist. Ebenso bedeutsam ist die Tatsache, dass der soziale Status bzw. die Zugehörigkeit zu prekarisierten Gruppen nicht als eine im rechtlichen Sinne schutzbedürftige Diversity-Dimension anerkannt ist.

Kimberlé Crenshaw, 1989, “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracial Politics”, University of Chicago Legal Forum 139, S. 150.

Der Ursprung von Intersektionalität

Das Konzept der Intersektionalität ist zuerst Ende der 1980er Jahre von Kimberlé Crenshaw im Kontext des rechtlichen Schutzes vor Diskriminierung durch die Anti-Diskriminierungsgesetze in den USA verwendet worden.

Ihr Ziel war, Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass vor allem Rassismus, Geschlecht und Klassismus intersektional interagieren und so eine besondere Form von Diskriminierung konstruieren, die nicht rechtlich geschützt ist. Verschiedene Zugehörigkeiten, wie z. B. Beispiel Schwarze Frauen, die einfache Arbeiterinnen waren, bildeten eine Konstellation, die keinen Schutz vor Diskriminierung bekam.

Intersektionalität weist auf Schutzlücken in der Gesetzgebung

Der besondere Beitrag des Konzepts der Intersektionalität war, dass es auf eine Gruppe aufmerksam machte, die im Hinblick auf gerechte Behandlung in der Arbeitswelt am meisten schutzbedürftig war. Das Zusammenwirken verschiedener Zugehörigkeiten in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext war bis dahin rechtlich nicht anerkannt.

Diversity und Intersektionalität

Der Diversity-Ansatz greift Intersektionalität insofern auf, dass er besonders auf die Verknüpfung von Zugehörigkeiten bzw. Zuschreibungen und sozialem Status und die Verortung dieser in gesellschaftlichen Dominanzstrukturen aufmerksam macht.